Von Andreas Leupi. Die Stadtbefestigung von Zürich hatte einst das Ziel, Ungewollte aus der Stadt fern zu halten. Heute werden quasi neue Mauern gebaut: Sie sollen einzig die Autos draussen halten.
Bis 1833 standen die Stadtmauern von Zürich. Ihr Zweck war zu jener Zeit primär militärisch begründet: So sollten sie die Stadt und ihre Einwohner vor Angriffen schützen. Während heute noch einige Relikte aus dieser Zeit übrig sind (z.B. die Stützmauer des Lindenhofs oder das Bauschänzli), so scheinen die Abteilung Tiefbau unter Richard Wolff und Teile des Stadtparlamentes heute an neuen Mauern zu arbeiten. Anstelle von Steinen arbeiten sie heute aber mit Lichtsignalen und Spurabbauten.
Prominentes Beispiel: Die Diskussion um den Spurabbau auf der Bellerivestrasse. Richard Wolff wollte «versuchsweise» die Spuren von vier auf zwei reduzieren. Wer aber die Politik ein bisschen verfolgt, der weiss: Solche Provisorien werden schnell zu dauerhaften Provisorien – man denke an dieser Stelle an das Globus-Provisorium, welches nun seit 1950 besteht. Nur dank grossem Widerstand des Kantons, der Gewerbler und Anwohner des Seefelds wurde das Projekt im Januar vorerst gestoppt und Wolff musste bereits zum zweiten Mal innert einiger Jahre ein Dossier abgeben, weil er gescheitert war.
Leider erhalten jedoch nicht alle Abbau-Projekte eine solche Aufmerksamkeit: Beim Frankental in Höngg soll die Kreuzung umgebaut werden und damit auch gleich diverse Spuren wegfallen. Die Begründung wie so oft: Platz für Velos. Im Endeffekt kommt es aber auch hier einer faktischen Kapazitätsreduktion gleich, welche den Stau aus der Stadt in die Agglomeration verschiebt.
Solche Beispiele lassen sich zuhauf finden. Das Ziel ist immer das gleiche: Weniger Kapazitäten an den Knotenpunkten für die Autos, damit diese die Stadt möglichst meiden. Besonders stossend ist dies, da dies eigentlich gar nicht möglich sein sollte: Nachdem die Anti-Stau-Initiative der SVP 2017 mit über 61% angenommen wurde, ist eine Verminderung der Leistungsfähigkeit einzelner Abschnitte im umliegenden Strassennetz mindestens auszugleichen, so stünde es eigentlich in der Kantonsverfassung.
Während jedoch alle Gemeinden neue Signalisationen, Parkplätze und Massnahmen bei der Kantonspolizei beantragen müssen, kann die Stadt machen was sie will. In der Signalisationsverordnung wurden die Städte Zürich und Winterthur nämlich explizit ausgenommen und mit dem Strassenverkehrsgesetz wurde ihnen sogar das Mittel in die Hand gegeben, die Kantonsstrassen in ihrem Gebiet selbst zu planen und zu bauen. Nur dank diesem Sonderstatus ist es Zürich überhaupt möglich, die Zubringer fast nach Belieben umzubauen und diesen die Kapazitäten zu nehmen. Ohne diese Sonderstellung hätten wir uns übrigens auch all die Diskussionen um die Bellerivestrasse sparen können.
Um all dies noch abzurunden, baut der Stadtrat fleissig Parkplätze ab und verhängt Tempo 30 an allen möglichen Stellen, unabhängig von deren Sinnhaftigkeit. Leidtragende sind die Geschäfte, welche nicht mehr genügend Parkplätze für Ihre Kunden haben, die Handwerker, welche mit dem Auto zum Kunden in die Stadt müssen oder auch die öffentlichen Verkehrsmittel, welche durch Tempo 30 eingebremst werden.
Vor Gericht mag die JUSO-Initiative «Züri Autofrei» vielleicht als ungültig erklärt worden sein. Links-Grün wird es verkraften: Denn der Stadtrat und das Parlament arbeiten fleissig daran, scheibchenweise zum gleichen Ziel zu kommen. Der Kantonsrat könnte dem ganzen einen Riegel schieben – wenn er denn wollte. Vielleicht sollte man sich das bei den Wahlen 2023 nochmals stark in Erinnerung rufen.